Individuum und Macht
Ich unterstelle in meinem Denkgebäude zuvörderst, dass der Mensch als Individuum generell und (soweit ihm möglich) bestrebt ist, seine Umwelt ins ihm Lebensdienliche zu verändern. Der methodologische Individualismus hilft uns dabei, seine generellen Motivationsgründe dafür herzuleiten und die Anreizmechanismen abzuklären, die unter sonst gleichen Bedingungen intendierte, aber auch unintendierte Ergebnisse herbeiführen können.
Dieses Individuum schließt sich jedoch aus seinem inneren Antrieb heraus mittels Kommunikation mit anderen Individuen zu organähnlichen, gesellschaftlichen Strukturen zusammen, die weit über den Horizont des Einzelnen hinauswachsen und -wirken. Aus diesen Strukturen bilden sich dann durch regelmäßig praktizierte Rituale und Traditionen Institutionen heraus, die über Generationen hinweg zu planmäßigen Unternehmungen, Organisationen und Gesellschaftssystemen heranwachsen, innerhalb deren historisch entstandenen Grenzen sich das Individuum stets bewähren muss. Das fängt an in der Familie und setzt sich fort bis hoch hinaus zu großen Staatsbündnissen und Föderationen, die sogar unterschiedliche Staatssysteme, Wirtschaftssysteme, Rechtssysteme, Währungs- und Finanzsysteme sowie Kultursysteme umfassen und auf sich vereinen können. An den Schnittstellen dieser organähnlichen Aggregate bilden sich Machtzentren heraus, die sich wiederum auf andere Einzelpersönlichkeiten konzentrieren, die ihre dort erworbene Macht als legitim anerkannt oder als illegitim wahrgenommen ausüben.
Wachstum und Entfremdung
Ausgangspunkt meines Denkens ist deshalb zwar einerseits das Individuum aber andererseits auch sein Verhältnis zu den von ihm selbst erschaffenen Systemen und ihrer Machtkonzentration auf andere Individuen. Der Einzelne und das Kollektiv, das um ihn entsteht, sei es seine Familie, sein Freundeskreis, seine Dorfgemeinschaft, seine Berufsgruppe oder auch seine Glaubensgemeinschaft oder Ähnliches müssen sich und ihre Antriebsgründe in all jener eben beschriebenen Abstraktkeit der übergeordneten Systeme dauerhaft wiedererkennen. Das Individuum und sein Umfeld müssen sich stets mit ihnen identifizieren können, sowohl historisch, rituell, kulturell, sozial, religiös, ökonomisch, politisch, moralisch-rechtlich als auch militärisch. Denn im Keim des fortschreitenden zivilisatorischen Prozesses und der mit ihm einhergehenden, zunehmenden Abstraktionen schlummert bereits die Gefahr einer gleichfalls wachsenden Entfremdung eben jenes Individuums und seines Umfelds von ihren Institutionen, die die auf sie aufgesetzten Organisationen und Systematiken mit Leben füllen. Im Kern einer jeden Zivilisation, in ihrem Erfolg und Wachstum also, steckt bereits der Grund für ihr Scheitern: die Entfremdung.
Kernfrage
Die Kernfrage, der ich auf diesen Seiten nachgehe, lautet also, wie es der westlichen Zivilisation in einer kollektiven Anstrengung gelingen kann, das Individuum wieder mit seinen Institutionen und Gesellschaftssystemen zu versöhnen und gleichzeitig dem immer wiederkehrenden Prozess der Entfremdung den Nährboden zu entziehen.
Während ich dieser Kernfrage nachgehe, bemühe ich mich auch, aus den Fundstücken meiner Überlegungen Schlüsse zu ziehen über unsere zentralen gesellschaftlichen Pathologien wie Kilmawandel und Umwelt, Wohlstand bzw. Armut und Globalisierung, die neuen identitären Bewegungen der Linken und der Rechten, moderne Opferidentifikationen und die zunehmend aggressive Marginalisierung der vergleichsweise stillen Mitte. Die Schlussfolgerungen setze ich dann ins Verhälnis zum gegenwärtigen zivilisatorischen Prozess der indiviuellen Entfremdung von den Gesellschaftsystemen des Westens. Wer mir hier auf diesem Weg des vernünftigen Nachdenkens folgen möchte, ist herzlich eingeladen.